Kurt John


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Gedichte und Prosa

Gedichte und Prosa

Herbst

Du, Herz, bist noch voll Ungeduld
schlägst in Erwartung schneller
obwohl du weißt
die Rosenzeit ist längst vorbei,
vorbei die heißen Sommerstunden.
Du schlägst und pochst und weißt genau,
dass unverhoffte Sonnenstrahlen
im Herbst und Winter doppelt warm
und du hast Recht,
denn die Erwartung schöner Tage
ist es, was deinen Motor treibt,
ist Energie dir, deine Kraft.
Sie ist es, die den Lebenssaft
lässt freudig fließen durch die Adern.
Weswegen zagen, warum denn hadern.
Die Hoffnung stirbt erst ganz zuletzt
und herbstlich schöne Sonnentage sind Nahrung ihr, vorausgesetzt
du lässt es zu. Bist noch bereit
zu sehn die Schönheit rings umher.
Hast dir bewahrt in deiner Brust
die Neugier, Freude, den Genuss zu trinken
aus dem Füllhorn voller Lust
obwohl du siehst, es neigt der Inhalt,
neigen sich die Gaben einem Ende zu.
Doch noch siehst du den Boden nicht.
So trink in vollen Zügen
aus deinem Wunderhorn
solang es dir beschieden
solang noch spiegelt sich
im Inhalt dein erwartungsfroh Gesicht.



Freud'sches Leid

Was soll es tun, mein Ich, wem soll es glauben?
Ist richtig, was Es sagt, nur weil Es glaubt, zu wissen?
Nur, weil Es meint, die Wahrheit selbst zu sein?
Es sagt, es sei mein Herz, mein Bauch und die Erinnerung an tausend Jahre.
Hat Es das Recht dazu, nur weil mein Körper ohne mich zu fragen
seinem Befehl gehorcht, den Schritt beschleunigt, innehält, so wie Es will?
Nur weil, wenn alle Sinne trügen, Es trotzdem hält das Heft fest in der Hand?
Wenn es so wäre, wozu sollt ich belügen mein Ich,
dass es der Herr im Hause sei, wenn's doch nur Untermieter wär?
Ich mein, auch Es hat seine Grenzen und biegt sich
so manches so zurecht, dass nur das passt, was soll.
Was darf, sagt uns die höhere Instanz, die graue Eminenz, sein und mein Chef.
Die richtet, ordnet zu und hebt den Finger immer dann, wenn Moral und Recht
gibt andre Meinung vor, die man zu haben hat.
Weh mir, wenn sich die Zwei nicht einig sind,
sich streiten, trotzen, störrisch sich verhalten.
Wenn Es sagt hüh, der Andre hott, so kämen alle nicht zu Pott,
es gäbe dann kein Halten.
Ein jeder hätte dann Marotten, die – wenn losgelassen -
mit zerstörerischer Kraft mein Ich verbögen und verschlängen
und Sachen mit ihm machten, die nie gewollt vom Ich und nie getan sein dürften.
Das Ich, es hätte keine Wahl,
es wär geknebelt und geknechtet laut Es es so zu tun, wie Es es wollt.
Doch nun hast Du gefragt, warum, woher, wer hat dein Tun bestimmt?
Verhalte deshalb, denke weit zurück, auch tief in die Erinnerung.
Wenn du das kannst, mein Ich, kannst du auch, vielleicht, glauben.



Orientalischer Tanz

Im Rhythmus des Blutes
gefangen die Sinne
weich fließendes Gleiten
ekstatischer Reigen
schwellende Formen und
lockende Glieder
erotisch verhüllt mit dem Hauch
von Gewand und goldenem Mieder.
Exotische Düfte von Rosen
und Flieder
Jasmin, Hyazinth.
Klagende Klänge, sehnsüchtige Lieder
wild jauchzend, zart schmeichelnd
aufreizend der Klang beim Spielen des Fußes.
Gefangen die Sinne
im Rhythmus des Blutes



Sportwagen

Unbändig ist die wilde Kraft, die Zauberei aus zwölf Zylindern schafft.
Sie sind aus Erz geschmiedet mit des Hephaistos' Macht,
von Künstlern fein in Form gebracht.
Das ist das Herz des Wahnsinns, eines Traums
das treibt mit solch elementarem Feuer
kometengleich es durch die Zeit, den Raum
gleich einem Urweltungeheuer nur
tausendmalig schöner anzuschaun.
Es ist die Eleganz und die Ästhetik pur,
Aerodynamik, Hochgeschwindigkeit allein im Stehen,
nur diese Formen, diesen Fluss zu sehn
ist Hochgenuss, die Technik als Skulptur.
Es schmiegen sich die Sitze gleich einer Haut
um dich, das Auge schwelgt, die Sinne hoch
gespannt, jetzt kommt die Offenbarung, schon der Ton,
tief grollend, dem ein Röhren folgt,
aufreizend diese Vibration,
komplexe Technik losgelassen,
angewandt in seiner schönsten Form.
Ein Kreischen jetzt und wie gehetzt von tausend
Teufeln jagt er dahin, drückt tief dich in die Körperschalen.
Der Atem stockt, es hämmert Puls und Motor gleichermaßen.
Du jubelst hoch die Gänge, krallst in den Asphalt dich,
ziehst dir die Kurven rein, die Welt sie fliegt vorbei
lässt Schwerkraft, Fliehkraft, lässt Physik und Logik
weit hinter sich zurück.
Nur das Gefühl regiert.
Du fühlst das heiße Leben in und unter Dir,
bist eins mit dem kompletten All, und weißt,
Du und das Fahrzeug sind letztendlich – dafür – konstruiert.



High Tech

Ohne Limit, Grenzen – uferlos
Tabus? Oh nein, die gibt es nicht.
Es gibt kein Halten, keine Achtung mehr
vor Nichts und Niemand
und es gibt auch kein Zurück,
wohin auch, Vorher – existiert nicht mehr.
Macht euch die Erde untertan,
den Himmel noch dazu,
das Universum, alle Macht,
die Hölle gibt es gratis.
Gott, Prometheus, ahnst du nur entfernt,
was du getan?
Sag, kanntest du die Menschen nicht?
Nicht ihre dunkle Seite, ihre Gier?
War dir nicht klar, dass Wesen dieser Art
nicht Ruhe geben können solange noch ein Atemzug
in ihrer Brust,
ein Fünkchen Hoffnung auf den eignen Vorteil noch besteht?
Du brachtest Feuer,
du vergaßest ganz die Asche, die dann bleibt zurück.
Du brachtest Wissen und vergaßest wohl
welch Potential Vernichtung solch ein Wissen schafft.
Wenn du dies alles nicht geahnt,
so kannst du selbst nicht göttlich sein;
hast du's gewusst,
dann ist dein göttlich Plan den Menschen tief verschleiert.
Was bleibt, ist die Erkenntnis,
dass ein Schluss nur ohne ihn, den Menschen, kann sein.
Das Feuer, das du hast gebracht zu seinem Wohl
wird ihn dann wohl – vernichten.



Mensch und Masse

Es gibt eine ungeheure Masse Menschen auf dieser Erde,
ungeheuer viel.

Es gibt auch unzählig viele Massen,
die sich von den anderen Massen nur dadurch unterscheiden,
dass die eine Masse eine Masse von denen
und die andere Masse eine von jenen ist.

Gebildet wird jede Masse von Individuen,
die sich entschieden haben, die Welt aus einem definierten
und damit beschränkten Blickwinkel zu betrachten.

So denkt und glaubt die eine Masse dieses
und die andere Masse jenes.
Eine beschränkte Zeit.



Während des Traums

Während des Traums ist der Blick zu den Sternen gerichtet,
der Abgrund links und rechts ist nichts, ist keine Bedrohung.
Das Seil ist die Welt. Der Tanz um Balance ist das Leben
während des Traums.



Weiße Nächte

Taufrische Ähren
folgt heiß der Sommertag
und eine weiße Nacht

Weiß die Nacht
das Ährenfeld am Morgen
der Honigtau der Rose

Weiße Nächte
kühle Morgen
taufrisch das Gras an deinen Füßen



Sehnsucht

Ein von Sehnsucht getriebener Mensch ist wie ein Reiter in einer Karawane. Er weiß, er ist nicht allein und doch ist er einsam. Während des endlos scheinenden Weges ist die nächste Oase das Ziel aller seiner Wünsche. Sie erscheint ihm als verklärte Fata Morgana in der sengenden Glut des Tages und als verlockendes Paradies im unruhigen Schlaf in der eiskalten Nacht.

Den frierenden Körper in den Schutz einer schweren Decke gewickelt, sucht der Blick nach Hilfen und Hinweisen bei den Milliarden Sternen, die in unwirklicher Pracht über der Wüste leuchten. Erschauernd wird die Unendlichkeit des Universums und die Winzigkeit seines Selbst empfunden. Die lange staubige Qual des Tages schrumpft zu einem Moment, zu einem Nichts im Angesicht der Ewigkeit.

Und doch, der nächste Tag sieht ihn erneut auf seinem schwankenden Reittier, Schritt für Schritt dem fernen Ziel entgegenstrebend. Die Sonne versengt die Haut, die Sehnsucht das Herz.

Doch er weiß um die lindernden Schatten der Bäume, den kühlenden Atem der sprudelnden Quelle. Er weiß um den wärmenden Körper, die sonnenheiße Haut, die - ihn umarmend – die Nacht versüßt. Er weiß, es gibt sie, seine Oase, und er ist auf dem Wege dorthin.

Bei jeder Ankunft in einer der Lebensinseln, in einer kleinen, selbst dürstenden oder einer großen, lauten, vor Leben überquellenden Oase jauchzt er beim Anblick des Grüns der Pflanzen und des lebensspendenden Wassers. Doch kein Palmenhain ist grün genug, keine Quelle erfrischend genug, um die Vorstellungen des Paradieses der heißen Tage zu erreichen. Keine heiße Umarmung in der Nacht entspricht der feurigen Glut seiner Fantasie in den einsamen kalten Nächten.

So kommt der Tag, an dem das Grün zu staubig, das Wasser zu lau und es kommt die Nacht, da der wärmende Körper als lästig empfunden wird. Ihm kommen Gerüchte zu Ohren von einer herrlichen Oase, einem wahren Elysium, einem köstlichen Juwel weit im Osten, Westen oder Süden. Und es kommt der Tag, der ihn erneut als Reiter in der Karawane sieht, mit auflodernder, sengender Sehnsucht und mit dem unlöschbaren Durst dessen, der auf dem Weg ist.



Mauerpflänzchen

Ein Pflänzchen wächst in einer Mauerspalte
ganz zart und langsam, weil fast ohne Licht.
Die Sonnenstrahlen, lebensspendend, treffen die
feinen Blättchen nur vereinzelt, meistens nicht.
So vegetiert das Pflänzchen Jahre vor sich hin
bis es erreicht mit seinem suchend Triebe
den Oberrand der Spalte und damit auch das Licht.
Das Pflänzchen ward zur Pflanze, ward zum Busch,
zum Baum.
Die Mauerspalte gibts nicht mehr, nur zur Erinnerung
daran hat unser Baum an seinem Fuß zwei tiefe Kerben,
Narben aus der Zeit, als er noch jung,
als es ums Überleben ging.



Was solls

Was solls. Ein jeder der honorigen Typen ist nur am Grapschen. Schnall den Gürtel enger, Kumpel, dann werd ich schneller reich. Heult mir was vor, von wegen solidarisch, gleich.

Ich schon, er nicht, er muss es wohl nicht sein. Pfeif drauf, ich – muss es auch nicht, nein. Ich hab die Schnauze voll, fühle mich abgezockt. Wurde mit Lug und Trug aus meiner Deckung rausgelockt. Alles, was sicher schien, ging flöten. Schluss jetzt, aus! Mehr nicht, weil es sonst kracht. Was mir was wert, juckt andere keinen Deut, was nicht gleich Zinsen bringt, wen interessiert das heut. Was ist ein Leben wert, was Arbeit und was Brot? Nichts, null, niente. Nein, es leidet keiner Not.

Doch was verkommt, sind Sitten und Gebräuche, alles, was aus dem Rudel Menschen erst den Menschen macht. Du wirst verglichen mit nem Haufen Schrott, der schneller herstellt, stanzt oder weiß Gott was biegt. Du wirst besteuert, oben drauf, doch die Maschine nicht, sie bringt das schnelle Geld, du aber fliegst! So läuft das.

Wenn du dann voll die Krise kriegst und ausscherst, übst dich im Sparen, im Konsumverzicht, macht das nichts besser, oder nur kurze Zeit. Dann gehen eben wieder welche pleite. - Die Großen nicht, 's trifft meist nur kleine Leute.

's trifft meist auch die, die eigentlich was bieten wollten für etwas mehr an Geld. Doch Geiz macht geil die einen und Maximalgewinn aus Verkauf und aus Mieten bei den andern, so geht es nicht mehr lang. Das Pendel schlägt zurück, und dann? Kommt dann das große Heulen der Aktionärs- und Kriegsgewinnler, der Spekulanten, Dealer und der Abzockdirektoren in den Konzernen. Glaubst du doch selbst nicht! Nie und nimmer. Wer dann bezahlt, sind wir, wie immer. Was soll's also.

Lass jucken, Kumpel, zieh deinen Stiefel durch und mach dein Zeug mit Anstand und mit Würde. Wahr du dir dein Gesicht, es kommen bessre Tage, oder auch nicht.



Hochsommer – Gewitter

Flirrende Hitze
Glutofengleich
steht in den Straßen, in Städten

Hochtürmende Wolken
fern grollender Ton
die Luft zum Zerschneiden

Der Stoff klebt am Körper
matt alle Glieder, träge
Sommerlieder

Die Vögel verstummt
erwarten den Regen
und fürchten den Hagel

Rauschender Guss
laut donnerndes Leben
Blitze zucken am Himmel

Warm stehen die Pfützen
erfrischt die Natur
Zweige verneigen sich



Geigenkonzert

Raumschwebende Töne, die Saiten erklingen
feinnerviger Strich virtuos mit dem Bogen
Altedles Holz, Resonanzen weich schwingen
göttlicher Hauch, vibrierender Odem.

Zum Ohr wird der Mensch, die strömenden Wellen
atmet er ein mit jeder der Zellen
die Augen geschlossen, es stört kein andrer Sinn
jauchzend schmilzt die Seele, er gibt sich hin.

Herzrhythmus im Takt, von Harmonie umhüllt
das Spiel der Finger, streichelnd, sanft, fühlt
Höhen, die Tiefen, die Lage der Stimmen
mathematisch exakt die Töne erklingen.

Die Töne, sie schwingen im Bauch, in den Schläfen
sie schwingen und klingen direkt in der Brust
es treiben voran Dissonanzen wie Hiebe, es lösen
die Spannung Sequenzen harmonischer Lust.

Verklingende Töne, zurück bleibt Verlust
entstandene Leere, Entzug, bleibt Verlangen
nach mehr, doch es folgt dann die bittere Süße
die bleibt, wie nach jedem erfüllten Genuss.



Jugend

Jugend ist Anmut, Spannung, Empathie

Jugend ist Wehmut, Zweifel, weiß nicht wie

Jugend ist Irrtum, Dummheit, Euphorie

Jugend ist Leben, Zukunft, nichts ist ohne sie.





Glauben

Schwer ist die Last des Himmels zu tragen.
Doch, wer sie nicht fühlt und sie nicht trägt,
dem fehlt eine Dimension.
Doch wohl an manchen Tagen
wird er sich fragen
warum die klagen
all die, die sie tragen
die selige Last des Himmels.
An manchen Tagen
da fehlt eine Dimension.



In der Tiefe

Das blaue Meer, das sich so sanft
in weichen Wellen wiegt
sieht nur so aus, als ob es schliefe.
Wer taucht, in seine Tiefe sich begibt,
erkennt auch Wölfe hier und Schafe.
Da unten ist's gerade so wie oben:
der Starke schlägt den Schwachen,
auch wenn er schon am Boden.
Was du beim Tauchen siehst, es
rührt dich faszinierend an.
Du findest es nur schön, weil
diese Welt, glaubst du,
sie geht dich wenig an.



Erfahrung

Ein alter Harung
schnappt nicht gleich nach jedem Köder
nicht gleich und nicht nach jeder.
Trotzdem, er bleibt ein Harung.

Ein alter Harung
wehrt sich nicht heftig, hängt er am Köder
nicht gleich und nicht sehr heftig.
Er kennt den Schmerz der Trennung.

Ein alter Harung
trennt sich vom Köder im rechten Moment;
im rechten Moment, doch trotzdem mit Schmerz.
Das ist der Preis der Erfahrung.



Der Liebe Lied

Guten Morgen, meine Schöne,
ich singe dir ein Lied
mit der Zunge der zwitschernden Vögel,
mit der Melodie des Windes im Geäst,
mit dem Rhythmus des fließenden Wassers im Bach.

Guten Morgen, meine Schöne,
hörst du meinen Gesang?
Er fragt dich nach einem einzigen Blick.
Für einen Blick gäbe ich alle Schätze der Welt.
Auch preist mein Lied deinen wiegenden Schritt,
die Anmut deiner Gestalt.
Sie zu umfassen holte ich vom Himmel den Mond,
um deine Brüste zu berühren, die Sterne dazu.
Für die Umklammerung deiner Schenkel
wär ich dein Sklave für ewig.

Komm zu mir, meine Schöne,
ich warte auf dich an der Biegung am Fluss.
Dort sind die weißen Kiesel und der warme Sand.
Ich warte auf dich mit brennendem Herzen,
mit heißem Verlangen und glühenden Lenden.
Beeil dich, meine Schöne.
Denn kommst du zu spät, erstickt der Fluss
mein Feuer, löscht das Wasser die Glut,
kühlt der Wind meine Glieder.
Mein Herz wird zu Eis, mein Gemüt zu bissigem Frost.

Kommst du nicht, meine Schöne,
wird mein Lied zum Krächzen der schwarzen Krähen,
der Wind wird mich verwehen und tausend Kinder,
weder gezeugt noch geboren, verfluchen dich
und ich werde weinen um uns.



Dichter (aus Grasgeflechte)

Und wär es nur ein Wimpernschlag,
der vor mich brächte oder auch zurück,
es wäre eine fremde Zeit, die mich umgäbe
mit fremden Menschen, fremder Kunst, Musik.

Und könnt ich wählen, welche Zeit davon mich reizt,
gäb es nur eine Zeit, vielleicht einen Moment:
Es wäre die Sekunde des Entstehens.
Es wär genau der Schöpfung Urbeginn.

Denn alles was dann kam, hat die Erklärung,
hat ein Gesetz, ein Muster, rechnerisch exakt.
Nur dieser Anstoß für die erste Regung
könnt Aufschluss geben mir – wer dies vollbracht.



Haiku (aus Wintermärchen)

So weiß, so schön,
kristallen klar wie Neuschnee
ist nur der Augenblick.

Schneeflocken fallen dicht
und besänftigen
unsere Ungeduld.

Der schmutzig-graue Schnee
von gestern, schützt Jugend
vor dem Frost der Nacht.

Brücken aus Eis,
Kristallpaläste aus Schnee,
für kurze Momente.

Unwillig knirschend
fügt sich der Neuschnee
dem Stille störenden Schritt.

Im Winterabend
verklingen zart die lauten
Töne des Tages.

Schmelzendes Eis
benetzt schlummernde Keime.
Impulse zum Leben.



Erst Liebe und so weiter

Du, Schlange, wusstest immer alles früher was da kommen wird. Viel früher als ich. Spürtest wohl das feine Beben meiner Seele als ich dich sah. Noch war ich ahnungslos, aber dir war alles längst klar. Ich war wehrlos. Wie sollt ich mich auch wehren bei der Hypnose deiner Augen, dem Züngeln deiner rosa Zunge zwischen deinen Lippen, der Umschlingung meines paralysierten Körpers. Schlinge um Schlinge zog sich bei jeder deiner Bewegungen eine Fessel mehr um mich und um meinen Willen.

Mein Atem stockte bei jeder Berührung deines Körpers, deiner Haut, deiner Haare. Wie sollt ich mich wehren? Du verstandest es, mich auf deinen Biss vorzubereiten. Ich sehnte mich nach deinem Biss. Mein Körper, mein tiefstes Sein war in einem Sog, hin zu dir, auf deinen Altar, auf deinem Altar zu sterben. Ich wollte gebissen werden, gefressen werden von dir mit Haut und Haaren. Mit dir, in dir verschmelzen, mich in dir verlieren.

Du hast mich gebissen. Ins Herz, in den Bauch, in die Lippen. Du hast meinen Körper zerbissen, meine Seele, mein Selbst zerfetzt. Nichts blieb von mir. Du hast mich verschlungen, aufgefressen mit Stumpf und Stiel. Ich war der Apfel vom Baum meiner Erkenntnis. Du warst Eva und die Schlange, du warst alles. Mehr gab es nicht im Garten Eden. Nicht für mich. Dein süßes, allzu süßes Gift drang in jede meiner Zellen und machte sie zu deiner. Jeder Schmerz war Wonne, war Lust. Lange wirkte das süße Gift in mir. Machte mich wild, zahm, hungrig und satt, machte mich zum Stier und Lamm. Und es machte mich träge, lullte mich ein mit einem rosa Schleier, verklärte die Welt.

Du aber spürtest, lange vor mir das süchtige, das sehnsüchtige Ziehen der nachlassenden Wirkung. Du spürtest mein leises Erzittern und Frösteln. Du wusstest, was kommen würde. Du hast dich gewehrt, wie sehr du nur konntest. Die schmeichelnde Schlange häutete sich, wurde zum Drachen. Schlangenleib und Drachenkrallen, alles versengendes Feuer, tödliche Zähne, eiserner Panzer.

Jetzt schmerzten die Bisse, die Ätzenden Geiferworte, der vernichtende Hauch des Feueratems, jetzt erdrückte der Leib, der Panzer und jetzt zerfetzten die Krallen. Das verklärende Gift war verflogen, schutzlos und ohne Harnisch mein Körper, wehrlos der schwache Mensch und unvorbereitet. So ließest du mich liegen, gnadenlos, ausgesetzt der sengenden Sonne und der Kälte der Nächte, den Blicken und Hieben der Geier und Hyänen.

Doch, Evadrachenschlange, ich habe überlebt. Mit Wunden an Leib und Seele, mit Verlusten an Illusionen und mit dem neuen Wissen über das Wesen des Paradieses. Ich habe überlebt und mich für immer gerüstet.



Wege und Irrwege

Von Stürmen getrieben
im großen Meer,
im Chaos der Triebe
wir irren umher.
Auf uralten Inseln
erst zeigen sich Formen
erst klären sich Wege
zu neuem Bewusstsein
reift dabei der Mensch.



Auf dem Weg (Kirke)

Zauberin du, männerverschlingende,
meine Krieger verfluchen dich,
irren über deine Insel
in fremdem Fell, auf hufigen Füßen.
Nur in den Augen flammt Prometheus Wissen.
Und du stehst sanft lächelnd am Tor,
ganz Göttin, ganz Frau.
Verführerin du, männerverachtende,
hörst du ihre Pein,
ihren verletzten Stolz, ihre Wut, ihre Ohnmacht.
Sie scharren die Hufe, Löwenschwänze peitschen,
weithin röhrt der Hirsch.
Ihre Brunst ist in sich gefallen, erstickt.
Die Angst raubt ihnen den Atem,
Flanken beben und du
stehst sanft lächelnd am Tor
mit hochgeschnürter Brust, schwellend,
lockend, deine rosa bezüngelten Lippen,
feucht glänzend, sind geöffnet zum
Willkommensgruß, Schlange du.
Du weißt, dass ich kommen muss.
Huldvoll dein Lächeln, deine Stirne glatt,
reizend die Grübchen deines Lächelns.
Fließend das duftige Geweb deines Kleides,
mehr zeigend als verhüllend.
Selbst dein gezügelter Schritt
entblößt deine Schenkel.
Du erwartest mich,
willst mich im Netz, gefährliche Fischerin du.

Ich komme zu dir, deine Listen kennend,
deinen Zaubern widerstehend,
keiner Verführung verfallend, deinem schmeicheln
setze ich mein Schwert entgegen,
deinem Gurren den Zorn eines Kriegers,
der geschmeidigen Glätte deiner Glieder
setz ich den Harnisch entgegen aus Leder und Stahl.
Nicht Eber noch Stier werd ich sein
nicht zum Tier werden, nicht deinetwegen
du männervernichtendes Weib, göttliche Frau.
Zweifelnd komm ich zu dir, gewappnet
wie zum Kampf,
drohend mit Schwert und Bogen,
dir scharfe Grenzen zeigend, wenn nötig.
Bist du auch übermächtig, Tochter der Sonne,
Tochter des erdumströmenden Ozeans,
ich weiß dir zu begegnen mit männlicher Kraft.
Du schwörst den Eidschwur der Seeligen,
den göttlich bindenden Schwur,
mir nicht zu rauben die Stärke und Tugend
des Mannes, willst respektieren die Grenzen,
lässt gelten den Mann als Mann, der er ist,
bist dir bewusst deiner Macht,
deiner überwältigenden weiblichen Macht.
Dafür erkennst du dich und mich,
erkennst die Pole, erkennst das unzerstörbare Ganze,
erkennst das Geheimnis der Welt.
Du schwörst es und dein Schwur macht mich frei.

Nur zögernd komm ich zu dir, göttliches Weib,
doch dein Schwur schützt mich vor dir,
schützt mich vor deiner Übermacht.
So bin ich frei und die Grenzen der Schöpfung
bleiben bewahrt.
Ich kann dein Lager besteigen als Mann,
du kannst mich empfangen zur heiligen Hochzeit
als Weib, bewusst und frei,
losgelöst von deinen Zwängen
göttliches wird menschlich, menschliches göttlich.
Du wusstest, dass ich kommen werde
als Mann, mit unbezwinglichem Herz
als Mann, zur Unterscheidung der Geschlechter
als Mann, der dich zu neuem Bewusstsein befreit.
Ich komme bereit zu dir, besteige dein Lager,
labe mich an deiner Gastfreundschaft, an
deinen Köstlichkeiten, die ich lange entbehrt,
erfreue mich an deiner Bewirtung, an deinem Trank
und an dir, du herrliches Weib.
Dein neues Bewusstsein gibt dir die Kraft und Stärke
zu lösen den Bann meiner Krieger,
kannst ihre Nähe zulassen als Männer, die sie sind,
mit ihren Schwächen, Stärken und Wünschen
kein Zauberbann muss weiterhin sie binden.
Du kannst zulassen ihre Unzulänglichkeit,
ihn männlich-anderes Denken,
denn du bist dir deiner bewusst.
Das ist, was ich dir geben konnte und geben musste.
Das ist, warum ich zu dir kommen musste.
Das ist, warum du mich wieder loslassen wirst,
irgendwann, wenn wir weiter müssen.

Mit Freuden weile ich bei dir, unsterbliches Weib.
Du hast mich verwandelt, nahmst mir die Furcht,
die tiefe Furcht vor der Übermacht deiner Weiblichkeit,
nahmst mir die Furcht vor dem gefährlichen Netz
der alles verschlingenden Großen Mutter.
Auch du, Kirke, du verwandelbare, hast dich verwandelt.
Wo vorher eines war und übermächtig
ist jetzt die Spannung des Unterschiedes,
befruchtend zu neuem Leben.
Der Verlust der Allmacht der Mutter
führte zum Gewinn an menschlicher Größe.
So wie die Krieger an früherer Gestalt gewannen
hast du, Kirke, neue Gestalt gewonnen,
deine ureigene, persönliche Gestalt, unverwechselbar.
Wenn die Zeit reif ist, so lass uns ziehn, Göttin
noch einmal spüren wir deine furchtbare Macht
spüren wir den kalten Hauch deiner Unsterblichkeit.
Tief in den Hades schickst du mich,
durch alle Höllen schickst du mich,
weil ich dich verlassen möchte, verlassen muss.
Du zeigst dich zum Abschied,
frischgewandet in feierlichem Silber,
zeigst deine Göttlichkeit,
zeigst Mond, Sterne und die lebensspendende Sonne
der Wiedergeburt. Doch du schickst mich in die Hölle.
Du sagst, sorge dich nicht um dein Leben,
sorge dich nicht um die Richtung der Fahrt,
sorge dich nicht um die Rückkehr zur Sonne, vertraue mir.
Du sagst, dies sei mein Weg und ich vertraue dir.
Ich werde den Weg gehen, werde erfahren
die Wandlung alles Sterblichen,
werde lernen, das Schicksal zu ordnen
und zu nehmen, so wie es ist.
Ich vertraue dir, göttliche, unsterbliche Kirke.



Auf dem Weg (Klagelied)

Warum, ihr Götter, knie ich hier
auf diesen hölzern' Planken,
mich klammernd an den schiefen Mast,
die Lebenskraft am wanken.
Verloren ist mein Gold, mein Gut,
Gefährten, Freunde, auch den Mut,
verlorn den Schutz der Götter.
Ich spüre hat Poseidons Wut,
spür seine Macht, wenn Well auf Well
krachend zerschlägt die Bretter,
die mich von seiner dunklen Welt
noch trennen, doch wie lange
hält dieses Floß, das Seilgebind, die Stange
die das Segel führt, das Ruder das
von Ost nach West mich und mein Leben lenkt.
Denk ich zurück an die Gefährten mein,
so könnt ich heulen, könnt lauthals ich schrein,
hab wohl versucht mit aller List
sie abzuhalten von der Gier, dem frevelnd Tun,
von der Befriedigung des Augenblicks,
geholfen hat es letztlich nichts.
Sie wurden Opfer ihrer Sucht nach Gold,
nach Ruhm und Ehre und nach Glück
jedoch, es war doch letztlich keinem hold.
Und nur gering ist der erreichte Ruhm,
wenn kein Gesang der Helden Tat verkündet.
Jetzt muss ich sehn, wie mein geliebtes
Ithaka am Horizont verschwindet,
mein Sohn, Penelope, den Traum zerbricht der Sturm.
Verschmäht hab ich Unsterblichkeit, verließ Kalypsos
Jugend, den gold'nen Käfig und als Erdenwurm
wind ich mich jetzt und fleh um Gnad, schwör Tugend
zu üben fürderhin, Neid, stolzem Wahn zu fliehn,
schwör ab den eitlen, übermächtgen Fantasien.
Ich habe die Lektion gelernt, kenn jetzt des Menschen Los,
so hilf mir Pallas, dass dies schwankend Floß
mich trägt an rettendes Gestad
vor der Natur und deiner Allmacht flehe ich auf Knien.



Vom Sterba (aus "Schwäbischer Lyrik")

'S gibt emmer no was z'doant
ond wenn de nemme kosch,
lasses de Jonge

Koschs eh net heba,
wenn nemme woisch worom,
isch's au Zeit zom ganga

Jeder Schritt em Leba
hot de weiterbrocht.
Vertrau au uff da letscht.

Mensch, was bisch.
A bissle Staub ond Wasser,
ohg'haucht von dr Ewigkeit.



Streiflichter

Abend mit Freunden: Kaminfeuer -
erhitzte Gesichter.
Die Erde dreht sich weiter.

Elementares: Dem Wasser näher
als der Erde atmen wir Luft.
So auch das Feuer.


Erste Liebe

Dieser Tage bin ich nur traurig und verwirrt.
Auf einer Totenbahre
fand ich die Liebe meiner Jugendjahre.
Ich suchte in der Frau, die lag so kalt und fremd
das junge Mädchen, das ich ungehemmt
in jenen Frühlingstagen hab geliebt,
wie nur die Jugend lieben kann.
Ich sucht Vertrautes, Lachen, Blicke, sucht
all das, was in den langen Jahren
sich in mir eingebrannt aus dieser Zeit.
Ich fand, ich sah ein ganzes Leben
in dem Gesicht, nur,
was mir bekannt, das fand ich nicht.



Von dr Liab (aus "Schwäbischer Lyrik")

I mog de,
wenn zwischa Dag ond siehsch me net
die Gsichtle aussieht wia em Traum,
deutlich ond verschwomma woich
zur gleicha Zeit,
ond äll dia Johr send
weggwischt vom a sanfta Licht
ond vom Schatta warm omschmeichelt.

I mog de aber au, wenn a gnadalosa Sonn
jedes Fältle, jedes graue Härle zeigt,
zwischa deine Locka die Sonnastrahla
spielat ond die Köpfle wia modelliert
ond überdeutlich klar
meine Auge gfanga hält.

I mog de au, wenn e de gar net seh,
blos wois, dass de do bisch, ahn,
wia da guksch ond mr denk, über
was dr grad Gedanka machsch.

I brauch koi Sonna ond koin Mond,
koi Licht ond koine Schatta om die liabs Bild
grad vor mr zom seha
ond au diaf en de nei.
I mog de halt.



Kosmischer Reigen

Im Nichts ein Chaos mit allem was ist
Morgendämmerung
sanftes Glühen am Horizont
wird gleißende Helle
wird ewig scheinende Ordnung und Form
im Licht der Sonnen am Tag
am Abend verwischen Konturen
lösen sich auf
Elemente vergehen im nächtlichen Feuer
zu Chaos, zu Nichts mit allem was ist
Wie oft schon? Wer zählt?



Unendliches Meer

Tief ist das Meer und ohne Grenzen.
Ist unergründlich, fremd und doch vertraut.
Es ist die Mutter und es ist die Braut.
Wild ist das Meer und voller Leidenschaft.
Umschließt dich, treibt dich weit ins Unbekannte,
zeigt sich in voller Schönheit und in wilder Macht.
Schwarz ist das Meer und grauenhaft.
In seiner Tiefe ist das Reich der Finsternis,
kein Sonnenstrahl kann dort dir Richtung weisen.
Schutz ist das Meer, kann hüten seinen Schatz.
Wenn oben wir zu nah der Sonne kommen,
dann ist sein Schoß des Lebens einz'ger Platz.



Quelle

Quelle des Lebens, der Zeit.
Kommt her von irgendwo
und tritt zutage
fließt weiter schnellen Laufs,
irgendwo hin, als
ob sie jemand jage.



Haiku

Herzschlag, angeglichen
an der Wellen Folge,
Rhythmus des Lebens

Meerwasser perlt, Salz
auf sonnenwarmer Haut
wollüstiges Schaudern



Ahnung

Zart schwellen Knospen
an dem winterkahlen Baum.
Schneeglöckchens früher Trieb
durchdringt den Boden kaum.
Auf unhörbaren Ruf von der Natur
die Säfte regen sich und steigen
auf, bereiten vor den neuen Reigen.
Noch ist es nur die Ahnung eines
Frühlings, doch er kommt mit Macht. Bald wärmen erste Strahlen, streicheln
sanft wie Hände, küssen alles wach.



Zarte Blüte

Quittenblüten, zartes, edles Porzellan,
durchscheinend weiß, empfindsam, morgenschön.
Nach allzu kurzer Zeit es wird verwehn
ein starker Wind die Blütenblätterscherben.
Zurück bleibt hartes Blatt und knorriges Geäst
und bittersüße Frucht mit herbem,
mit feinem Duft des seligen Erinnerns.


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